„Unsere Türen sind immer offen“
In der Ökumenischen Gemeinschaft Wethen leben zwölf Menschen in Frieden zusammen.
aus: Neue Westfälische Ausgabe Warburg, 24. Oktober 2000, von A.-K. Mönks
Es gibt Nachbarn, die können Hunderte von Metern voneinander entfernt wohnen und streiten sich trotzdem bis aufs Messer. Im Hof des Laurentiuskonvent wohnen zwölf Menschen gemeinsam in einem großen Haus, kochen essen und leben zusammen. Streit gibt es so gut wie nie.
“Wir haben schon unsere eigenen Wohnbereiche”, erklärt Ilse Braun, die seit vier Jahren mit ihrem Mann im Wethener Laurentiushof lebt. Das Erdgeschoss ist allerdings eine Gemeinschaftsetage; hier sind die Küche, das gemeinsame Esszimmer, ein Wohnzimmer und ein Raum für größere Zusammenkünfte. Im Moment wird er aber nur zum Trocknen der Walnüsse genutzt. In den zwei oberen Stockwerken sind drei Wohnungen, die Wohnungstüren sind jedoch lediglich aus wärmetechnischen Gründen vorhanden.
„Unsere Türen sind immer offen“, betont Ilse Braun. Oft werden in den Wohnungen auch Gäste des Hauses untergebracht, allein in der Wohnung von Ilse Braun und ihrem Mann Markus steht in jedem der fünf Zimmer mindestens ein Bett. Wer für ein bis zwei Wochen einmal das Leben in der Gemeinschaft testen möchte, ist willkommen.
Die Privatsphäre wird trotzdem gewahrt, denn wer allein sein möchte, der macht eine Tür hinter sich zu und wird respektiert. „Wer hier herkommt, der will ja auch mit anderen zusammenleben, aber man hat immer die Möglichkeit, sich zurückzuziehen“, so Ilse Braun.
Auch der sonst übliche Streit um Abwasch und Müll spielt hier keine Rolle. Den Abwasch macht, wer gerade da ist, und jeder trägt mal den Müll raus. Keiner fühlt sich übervorteilt. Selbst um das leidige Geld wird hier im Laurentiushof nicht gestritten. Es gibt eine Gemeinschaftskasse, in die jeder nach Vermögen einzahlt und aus der Miete, Lebensmittel und Haushaltswaren bezahlt werden. Müssen größere Dinge angeschafft werden, wird noch einmal extra zusammen geschmissen. „Da gibt jeder, soviel er möchte und kann“, erklärt Ilse Braun. Das gilt auch für des Deutschen liebstes Kind, das Auto. Wo bei normalen Nachbarn allerdings spätestens die Freundschaft aufhört, ist es für die Mitglieder der Ökumenischen Gemeinschaft selbstverständlich, zu teilen. Dabei ist das rein organisatorisch gar nicht immer so leicht.
Zum Laurentiushof gehören vier Autos. Die meisten der Mitglieder sind berufstätig, einige müssen täglich nach Warburg, aber mit etwas Kompromissbereitschaft lässt sich das alles regeln. Wer sich zuerst in den Autokalender einträgt, hat Vortritt, es sei denn, er lässt mit sich reden. Doch wie gelingt es der Gemeinschaft, das zu erhalten, was in so vielen Nachbarschaftsverhältnissen längst verloren ging: den Frieden? „Wir treffen uns regelmäßig zu Hausgesprächen, bei denen alles auf den Tisch kommt“, erklärt Ilse Braun. Hier wird Organisatorische besprochen, aber auch die kleinen Ärgernisse, die selbstverständlich dazu gehören.
„Wichtig ist, dass sich nicht über lange Zeit etwas anstauen kann“, so Ilse Braun weiter, „aber man muss sich auch immer fragen: Liegt es vielleicht auch an mir? Ist es mir denn so wichtig?“ Mit dieser Lebensphilosophie hat es die Ökumenische Gemeinschaft Wethen schon weit gebracht, so dass Ilse Braun selbst sagt: „Ich empfinde uns wie eine Großfamilie.“